Jukon
Miterlebte Geschichte - Tschechische und deutsche Studenten erinnern sich an ihre Kindheit im Kommunismus
Gibt es Unterschiede zwischen einer Jugend in der Tschechoslowakei und in der DDR? Wie wird mit diesem Erbe heute umgegangen? Diese und andere Fragen bewegten 25 Studenten aus Tschechien und Deutschland auf dem Seminar „Miterlebte Geschichte – DDR-Realität und Wende im deutschen Jugendfilm“ vom 4. bis 6. November 2005 im Begegnungszentrum Karl Klostermann in Pilsen. Organisiert und gefördert wurde dieses Projekt durch das Institut für Außenbeziehungen (ifa), die Robert Bosch Stiftung und die Jugend-Kontakt-Organisation JUKON.
Einem ersten Kennenlernen mit gemeinsamen Abendbrot am Freitag folgte am Samstag der eigentliche Auftakt in Form eines Vortrags über die Jugend in der DDR. Die junge Historikerin Dana Schieck aus Berlin bot einen ausführlichen Überblick über das Leben ostdeutscher Jugendlicher. Durch persönliche Erinnerungen, Bilder und Ausschnitten aus Filmdokumenten konnte Schieck die Teilnehmer über zwei Stunden fesseln.
Im weiteren Verlauf des Seminars standen die Erinnerungen der Teilnehmer im Mittelpunkt. Als Ausgangspunkt für die Diskussionen dienten zwei deutsche Kinofilme aus den letzten Jahren: „Sonnenallee“ und „Good Bye, Lenin!“. „Sonnenallee“ zeigt als Komödie das Leben von Ostberliner Jugendlichen in den siebziger Jahren. Den Teilnehmern aus der ehemaligen DDR kamen dabei viele Dinge bekannt vor. Die Teilnehmer berichteten von ihrer Schulzeit und den Aktivitäten in den staatlichen Jugendorganisationen. Nach ihren Erinnerungen sei es nahezu Pflicht gewesen, in einer Jugendorganisation aktiv zu sein. Im Unterschied hierzu spürte man in den achtziger Jahren in der ČSSR bereits eine Auflockerung, fasste Alžběta Mattasová, die die Idee zu diesem Wochenendseminar hatte, die Diskussion zusammen.
„Good Bye, Lenin!“ spielt in Berlin in den Monaten des Mauerfalls und der Wiedervereinigung. Auch mit dieser bewegenden Zeit verbanden die deutschen und tschechischen Studenten eine Reihe von Erinnerungen. So berichtete ein sächsischer junger Mann davon, dass er noch von seiner Mutter mit dem FDJ-Hemd zur Zwischenzeugnisausgabe 1990 in die Schule geschickt wurde. Eine andere Teilnehmerin erzählte davon, dass sie noch im Jahr 1990 in der „Jugendweihe“ auf den sozialistischen Staat eingeschworen wurde. Das JUKON-Mitglied Petr Mlejnek erzählte davon, dass er als Kind Ende des Jahres 1989 in Prag stolz die tschechoslowakische Fahne schwang und merkte, dass etwas besonderes im Gange ist.
In der anschließenden Diskussion kam die „Ostalgie“ in der ehemaligen DDR zur Sprache. Unter diesem Phänomen versteht man eine sentimentale und unkritische Erinnerung an die DDR-Zeit. In Tschechien gibt es die Ostalgie-Welle nicht in dem Maße, wie man sie aus Deutschland kennt. Allerdings kann man auch hier nostalgische Erinnerungen an die kommunistische Zeit erkennen, waren sich die Teilnehmer einig. Ein Ausdruck dieser besonderen Sentimentalität sei in Tschechien beispielsweise der Boom der Kofola-Limonade.



