Adalbert-Stifter-Geburtshaus in Oberplan
Museumspädagogisches Programm für das Adalbert-Stifter-Geburtshaus in Oberplan (Horní Planá)
Adalbert Stifter zählt zu den Persönlichkeiten der Region Bayerischer Wald – Böhmerwald - Mühlviertel, deren Leben und Wirken im wahrsten Sinne des Wortes grenzüberschreitend waren. Aus diesem Grund sind seine Biographie und seine Beziehung zu seiner Heimat ein ideales Beispiel für den grenzüberschreitenden Charakter der regionalen Geschichte im Dreiländereck. Die museumspädagogischen Arbeitsblätter sollen Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, das Leben und Werk des Dichters und Malers in seinem Geburtshaus in Oberplan (Horní Planá) zu entdecken.
Geboren 1805 in einer deutschsprachigen Familie im südböhmischen Oberplan (Horní Planá), wird Adalbert Stifter zumeist als österreichischer Schriftsteller bezeichnet. Neben seiner deutschen Muttersprache und der Zugehörigkeit Oberplans zum Habsburgerreich wird damit auch auf seine Ausbildung in Kremsmünster und Wien sowie sein Wirken als Schulinspektor in Linz Bezug genommen. In Linz verstarb er 1868 und liegt dort auf dem St.-Barbara-Friedhof begraben. Stifters Heimatregion, der südliche Böhmerwald rund um den heutigen Lipno-Stausee, ist ein häufiges Thema in seinem literarischen und malerischen Werk. In seinen Klassikern wie dem Witiko, den Erzählungen Bunte Steine oder dem Hochwald bildet die Landschaft seiner Kindheit den Rahmen. Auch in Stifters Gemälden finden sich zahlreiche Motive des Böhmerwaldes, wie etwa sein Heimatort Oberplan, der Plöckensteinsee oder die Ruine Wittinghausen. Auch in Tschechien wird er als Heimatdichter des Böhmerwaldes verehrt. Mit Bayern verbinden Stifter vor allem seine zahlreichen, teils monatelangen Aufenthalte auf dem Rosenberger Gut in Lackenhäuser am Fuß des Dreisesselberges (Gemeinde Neureichenau in der Nähe des Dreiländerecks). Nicht zuletzt brachten auch viele Vertriebene aus dem Böhmerwald die Verbundenheit mit Stifter in ihre neue bayerische Heimat. Eine nationale Zuordnung Adalbert Stifters fällt somit schwer, vielmehr ist er der Prototyp eines heimatverbundenen Böhmerwäldlers des 19. Jahrhunderts, den Nationalitätenkonflikt völlig ignorierend. Die Erinnerung an ihn wird in allen drei Ländern der Grenzregion gepflegt: Denkmäler, Büsten und Gedenkräume finden sich u.a. in Linz und Wien, in Oberplan und am Plöckensteinsee, in Lackenhäuser, München, Passau und in der Walhalla.
Stifters Person eignet sich somit hervorragend für die Beschäftigung mit dem grenzüberschreitenden Charakter der Region Bayerischer Wald / Böhmerwald, der deutschsprachigen Vergangenheit und den offenen Grenzen und weitgehend fehlenden nationalen Zuschreibungen des frühen 19. Jahrhunderts. Zudem gelingt es über Stifters Werk, mit einigen Orten des Dreiländereckes bekannt zu werden.
Neben dem Deutsch- oder Geschichtsunterricht bietet sich eine Beschäftigung mit der Figur Stifter auch in drei Museen in Österreich, Tschechien bzw. Bayern an: Stifters Wohnhaus in Linz beherbergt heute das oberösterreichische Literaturmuseum mit einem Gedenkraum an den Schriftsteller, ein weiteres Museum ist in Stifters Ferienhausdomizil in Lackenhäuser eingerichtet und auch sein Geburtshaus in Oberplan ist Gedenkort und Museum.
Seit 1956 in Planung, fand die Eröffnung der Gedenkstätte Adalbert Stifter am 23. Oktober 1960 statt. Die Ausstellung im Geburtshaus wurde seitdem mehrmals verändert und erweitert. Die aktuelle zweisprachige Dauerausstellung, die im Erdgeschoß des Hauses Leben und Werk Adalbert Stifters zeigt, entstand im Jahr 2005. Zudem bietet das Geburtshaus im ersten Stock Platz für Sonderausstellungen und Raum für kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen. Das Haus ist in Besitz der Stadt Horní Planá, das Museum eine Zweigstelle des Regionalen Museums in Český Krumlov.
Die museumspädagogischen Arbeitsblätter fördern die vertiefte Beschäftigung mit ausgewählten Objekten, die in dem Geburtshaus Stifters in Horní Planá ausgestellt sind, und leiten zudem dazu an, die Museumsexposition zu hinterfragen. Sie sind so konzipiert, dass die Lernenden sie individuell und selbstständig bearbeiten können. Die Bearbeitungszeit beträgt etwa eine Stunde. Außer den Arbeitsblättern sollten auch bunte Stifte zur Verfügung stehen, da die Materialien eine Zeichenaufgabe beinhalten.
Die Arbeitsblätter bestehen aus einer Einführungsaufgabe, in der Stifter und seine Lebensdaten vorgestellt werden, sodann Aufgaben zu sechs verschiedenen Themen und als Zusammenfassung ein (leerer) Steckbrief Stifters. Dieser kann sowohl im Museum als auch im Unterricht ausgefüllt werden, sollte aber in beiden Fällen zur Nachbesprechung des Museumsbesuches verwendet werden: Neben Eckdaten von Stifters Leben behandelt er auch Fragen nach seiner Nationalität, nach für ihn bedeutsamen Themen und zu seiner Hinterlassenschaft. Diese lassen Raum zur Diskussion und sollten von der Lehrkraft entsprechend angeleitet werden.
Um zu vermeiden, dass die Schülerinnen und Schüler sich bei der Lösung der Aufgaben in den Museumsräumen gegenseitig behindern und um ein selbstständiges Arbeiten zu fördern, sollten die Aufgabenblätter in unterschiedlicher Reihenfolge bearbeitet werden. Lediglich die Einführungsaufgabe und die letzte Aufgabe sollten von allen als erstes bzw. als letztes erledigt werden, die anderen Arbeitsblätter bauen nicht thematisch aufeinander auf.
Im Einzelnen verfolgen die Materialien folgende Lernziele:
Die Schülerinnen und Schüler
- können Eckdaten der Biographie Adalbert Stifters sowie Titel seiner Werke und Motive seiner Gemälde nennen.
- lokalisieren Stifters Lebensorte auf einer aktuellen und einer historischen Karte.
- lesen Ausschnitte aus Stifters Werken (Briefe, Autobiographie, einzelne Passagen aus Erzählungen).
- sammeln Argumente, welcher Nationalität Stifter zugeordnet werden könnte.
- fertigen Detailbeschreibungen eines Ausstellungsobjektes an, zeichnen ein Landschaftsgemälde.
- beschreiben die Veränderung des Hauses seit seiner Umwandlung in ein Museum.
- reflektieren über die Auswahl von Objekten für eine Ausstellung.
Unabhängig von der Einbindung in den Schulunterricht und einen Besuch des Geburtshauses mit Schülerinnen und Schülern sind die Arbeitsblätter so konzipiert, dass sie auch von Individualbesuchern – etwa Familien mit Kindern – bearbeitet werden können.
Bayern
Die Beschäftigung mit Adalbert Stifter und seiner Lebenswelt des frühen 19. Jahrhunderts sind in den Lehrplänen sowohl des Deutsch- als auch des Geschichtsunterrichts verankert.
Deutschunterricht:
In den Lehrplänen der Mittelschule wird in der 9. Jahrgangsstufe die Beschäftigung mit dem poetischen Realismus genannt, darunter auch mit Adalbert Stifter. An Realschule lässt sich Stifter in die 8. und 9. Jahrgangsstufe integrieren, hier wird das frühe 19. Jahrhundert bzw. der poetische Realismus behandelt. Am Gymnasium werden Werke Adalbert Stifters als Lektüre in den 8., 10. und 11. Jahrgangsstufen vorgeschlagen.
Gymnasium:
8.4: „Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen“
In den Lektürevorschlägen: Bergkristall
9.4: „Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen“, darin: „Ihre Lesefertigkeit und Leseerfahrung vertiefen die Schüler, indem sie sich mit Sachtexten sowie mit literarischen Texten vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart beschäftigen.“
10.4: „Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen“
In den Lektürevorschlägen: Der Condor
11.4.: „Sich mit Literatur und Sachtexten auseinandersetzen“
In den Lektürevorschlägen: Bunte Steine: Vorrede
Realschule:
8.4: „Bezug zwischen Autor/Autorin, Text und Lebensumständen an einem weiteren geeigneten Beispiel aus dem 18. oder frühen 19. Jahrhundert“
9.4 „poetischer Realismus: Beispiele aus der epischen Literatur in Auszügen und Inhaltszusammenfassungen oder als Ganzschriften, z. B. […]Adalbert Stifter.“
Mittelschule:
9.4: „poetischer Realismus: Beispiele aus der epischen Literatur in Auszügen und Inhaltszusammenfassungen oder als Ganzschriften, z. B. […] Adalbert Stifter.“
Geschichtsunterricht:
In den Lehrplänen aller drei Schulformen ist die Beschäftigung mit der Epoche, in der Adalbert Stifter lebte in der 8. Jahrgangsstufe angesiedelt (analog zur Behandlung seiner Literatur im Deutschunterricht).
Mittelschule:
GSE 8.2 Industrielle Revolution und nationale Einheit
Realschule:
G 8.4 Widerstreit zwischen Restauration und Emanzipation [EU, PB] (ca. 7 Std.)
Gymnasium:
G 8.1 Europa im Zeitalter der Revolutionen (ca. 18 Std.)
G 8.2 Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland 1850 bis 1914 (ca. 15 Std.)
Tschechien
Die tschechischen Rahmenlehrpläne ermöglichen den jeweiligen Schulen und Lehrkräften eine eigene inhaltliche Schwerpunktsetzung, lediglich grundlegende Ziele der jeweiligen Fächer werden beschrieben. So ist im Literatur- bzw. Deutschunterricht auch eine Beschäftigung mit dem Werk Adalbert Stifters möglich. Die entsprechende Zeitepoche ist in den Rahmenlehrplänen für den Geschichtsunterricht unter dem Schlagwort „Modernisierung der Gesellschaft“ vertreten.
Horní Planá liegt am Ufer des Lipno-Stausees etwa 30 km von Český Krumlov (Krumau) entfernt und ist von dort auch mit dem Zug zu erreichen. Zur österreichischen Grenze sind es etwa 25 km, zum Grenzübergang Philippsreut in den Bayerischen Wald 45 km. Das Museum ist von April bis Dezember geöffnet, der Eintrittspreis mit 20 Kč (etwa 0,70 Euro) pro Person für Schülergruppen sehr günstig.
Kontaktdaten:
Regionální muzeum pobočka Horní Planá
Palackého 21
38226 Horní Planá
Telefon: +420 380 738 473
Fax: +420 380 738 473
E-mail: stifter@horniplana.cz
www.horniplana.cz/rodny-dum-adalberta-stiftera.php (nur auf Tschechisch)