Flößen auf der Otava
Chinitz-Tettauer Schwemmkanal / Vchynicko-tetovský kanál
Auf dem Chinitz-Tettauer Schwemmkanal (tsch. Vchynicko tetovský kanál) wurde Holz zur Vinzenzsäge (tsch. Čeňkova pila) geschwemmt und getriftet und von dort über die Flüsse Wottawa (tsch. Otava) und Moldau (tsch. Vltava) nach Prag (tsch. Praha) zu Flößen zusammen gebunden weitertransportiert. Der Kanal, der ursprünglich Kaltenbrunner Schwemmkanal hieß, hat eine Länge von 16 Kilometern mit einem Gefälle von 190 m. Er beginnt an der Widra bei der Blockbrücke Rechelbrücke (tsch. Rechle) und endet im Flüßchen Kieslingbach (tsch. Křemelná).
Der Chinitz-Tettauer Schwemmkanal entstand zwischen 1799 und 1800. Die Bauleitung hatte der Ingenieur Josef Rosenauer, der bei Planung und Bau des Schwarzenberger Schwemmkanals sehr viel Erfahrung gesammelt hatte. Auch dieser neue, kleinere Schwemmkanal lag in der Herrschaft Josef Schwarzenbergs, der den Holztransport massiv förderte und hier wieder die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hatte. Heute ist der Schwemmkanal ein technisches Denkmal und führt immer noch Wasser zum Wasserkraftwerk Čeňkova pila.
Kanalverlauf:
Bach Widra – Dorf Vychnice-Tetov – Rechelbrücke (tsch. Rechle) – Antigel (tsch. Antýgl) - Kanal biegt ab und verläßt den Bachlauf der Widra – Einmündung in den Kieslingbach (tsch. Křemelna) – bei Vinzenzsäge (tsch. Čeňkova Pila) Mündung in die Wottawa (tsch. Otava).
Abbildungen: Der Kanal bei Rehberg (tsch. Srní) im Kreis Klattau (tsch. Klatovy)
Wottawa (tsch. Otava)
Die Wottawa (tsch. Otava) beginnt am Zusammenfluss der Bäche Widra (tsch. Výdra) und Kieslingbach (tsch. Křemelná) auf einer Quellhöhe von 627m. Sie fließt durch Schüttenhofen (tsch. Sušice), Horaschdowitz (tsch. Horažd’ovice), Strakonitz (tsch. Strakonice) und Pisek (tsch. Písek). Der Fluß mündet auf der Höhe von 346m bei der Burg Zwikov (tsch. Zvíkov) an der Talsperre Worlik (tsch. Orlík) in die Moldau (tsch. Vltava). Er überwindet dabei auf 113 km einen Höhenunterschied von 281 m. Sein Einzugsgebiet beträgt 3788km². Die Moldau fließt in die Elbe (tsch. Labe) und diese in die Nordsee
Ein Schwemmkanal ist ein Fließgewässer in einem künstlich angelegten Bett. Auf dem Chinitz-Tettauer Schwemmkanal und der Wottawa kamen verschiedene Holztransportarten zum Einsatz. Man schwemmte, triftete und flößte. Das ungeordnete Einwerfen von Scheitholz in fließendes Gewässer nennt man Schwemmen, den Wassertransport einzelner Stämme oder Stammstücke (Blöcher, Klötzer) Triften. Flößen wiederrum ist das geregelte Abschwemmen von aus Stämmen gebildeten Tafeln und Ketten (Prahmen).
Josef Mirwald (*1901)
Der Flößer Josef Mirwaldund seine Erinnerungen an den Holztransport auf der Wottawa
Josef Mirwald wurde im Jahr 1901 geboren und war Flößer auf der Wottawa (tsch. Otava). Er fuhr viele Jahre auf einem Holzfloß von Vinzenzsäge (tsch. Čeňkova Pila) bis Strakonitz (tsch. Strakonice) und transportierte dabei unzählige Tonnen Holz. Er war Bürger der Tschechoslowakischen Republik und wohnte in Budaschitz. Budaschitz (tsch. Bohdašice) ist heute ein Ortsteil von Dlouhá Ves (dt. Langendorf) im Kreis Klattau (tsch. Okres Klatovy). Die Gemeinde liegt vier Kilometer südlich von Schüttenhofen (tsch. Sušice), zwischen Bergreichenstein (tsch. Kašperské Hory) und Hartmanitz (tsch. Hartmanice).
Im Jahr 1976, im Alter von 75 Jahren, schrieb er seine Erinnerungen an die Zeit als Flößer nieder und überließ diese zusammen mit Zeichnungen und Bildmaterial dem Böhmerwaldmuseum Passau. Das Material liegt heute im Stadtarchiv Passau unter Böhmerwaldarchiv Passau, Kasten Bergreichenstein, C 1944 (Josef Mirwald). Er wohnte damals nicht mehr in Böhmen, sondern in Bayern, in Unterföhring. Die meisten deutschstämmigen Bewohner des Böhmerwaldes hatten nach 1945 ihre Heimat verlassen und in Deutschland ein neues Leben aufbauen müssen.
Befähigungsnachweis für Otavaschiffer
Josef Mirwald erhielt im Jahr 1931 den Befähigungsnachweis für Schiffer und war somit berechtigt, ein Floss auf der Wottawa zu führen. Er weist immer wieder darauf hin, wie gefährlich die Arbeit der Floßsteuerleute und Flösser auf der Wottawa war. Er schreibt, es wäre ein „gefährlicher Beruf ... wir dachten, unsere Wasserstraße ist das Gefährlichste“ (Zitat aus einem Brief vom 27.4.1976) und dass sie „selbstmörderische Flösser“ sein mussten.
Die Floße / Prahmen
Die Holzfloße waren spezielle Anfertigungen, um möglichst viel Holz auf einmal transportieren zu können. Dazu wurden viele Stämme auf besondere Weise zusammen gebunden, die Flößer haben sie selbst gebaut. Die Floße oder Pramen waren 120 m bis 140 m lang und es war schwierig und sehr gefährlich, diese im Fluss zu steuern. Josef Mirwald hat in den 1970er Jahren ein Floßmodell gebaut, dieses fotografiert und dem Böhmerwaldmuseum Passau übergeben.
Heute ist dieses Modell in der Dauerausstellug Böhmerwaldmuseum auf dem Oberhausmuseum Passau zu besichtigen. Modell angefertigt um 1975 von Josef Mirwald aus Unterföhring, früher Langendorf im Böhmerwald.
Der Streckenverlauf der Floßpartien auf der Wottawa
Etappe I
Vinzenzsäge (tsch. Čeňkova Pila) – Unterreichenstein (tsch. Rejštein) – Klostermühle (tsch. Klašterský mlýn) – Schröbersdorf (tsch. Radešov) - Bergreichenstein (tsch. Kašperské Hory) – Annathal (tsch. Annín) – Langendorf (tsch. Dlouhá Ves)
Etappe II
Langendorf (tsch. Dlouhá Ves) - Neustadl (tsch. Nové Městečko) – Schüttenhofen (tsch. Sušice) – Doberschin (tsch. Dobršín) – Zichovice – Schepitz (tsch. Čepice) / Rabi (tsch. Rabí) – Horaschdowitz (tsch. Horažďovice) – Strakonitz (tsch. Strakonice)
Etappe III
Strakonitz (tsch. Strakonice) - Pisek (tsch. Písek) – Zwikov (tsch. Zvíkov) / Talsperre Worlik (tsch. Orlík)
Der Bindeplatz Vinzenzsäge / Čeňkova Pila
In Vinzenzsäge (tsch. Čeňkova Pila) fließen Vydra und Kieslingbach (tsch. Křemelná) zusammen, hier entsteht die Wottawa (tsch. Otava). Hier endete auch der Chinitz-Tettauer Schwemmkanal (tsch. Vchynicko tetovský kanál). Der Ort wurde dank dieser Gewässer vielseitig genutzt. Zum einen gab es hier einen Floßbindeplatz mit Langholzstapel, zum anderen entstanden verschiedene Werke, die die Wasserkraft aus dem Vchynicko-tetovský Schwemmkanal nutzten.
Der Prager Holzhändler Čeněk Bubeníček (1807-1888) baute hier ein Sägewerk. Nach ihm wurde der Ort auch benannt. Im Jahr 1912 wurde das Sägewerk zum Wasserkraftwerk Čeňkova pila umgebaut, um mit der Franzis-Turbine für Bergreichenstein (tsch. Kašperské Hory) Strom zu produzieren. In den Jahren 1937-1939 wurde ein zweites Wasserkraftwerk namens Vydra gebaut.
Beide Kraftwerke sind Technische Nationaldenkmäler und noch voll in Betrieb. Es gibt eine Dauerausstellung, zur Geschichte und Entwicklung der Hydroenergetik im Böhmerwald mit Modelle von Wasserkraftwerken und dem Vchynicko-Tetovský-Kanal. Durch eine Glaswand kann man den Antriebsraum des Wasserkraftwerks Vydra beobachten.
J. Mirwald über den Bindeplatz Vinzenzsäge / Judenhäusl: Floßbindeplatz mit Langholzstapel zwischen Rehberg und Unterreichenstein.
"Der Floßbindeplatz mit Langholzstapel wurde im Winter angefahren, gelocht und aufgewälzt. Im Winter bringen die Fuhrleute meistens die größten Stämme, 23m, 25m, 28m lange Ausschnitte, mit den Schlitten. Hier ist ein (Schwell)Floßkanal abgebildet. Dieser wird gestaut, damit die Holzstämme eingewälzt werden können. Doch müssen diese erst geschwenkt (umgedreht) werden, weil sie die Fuhrleute mit dem dicken Ende voraus anbringen. Im Schwellwasser werden die Tafeln zusammengeschwemmt und abgebunden. Es ist zu sehen, dass das Floß fertig, aber noch nicht beladen ist. Wenn die Ladung drauf liegt und zum Ausfahren fertig ist, werden vorne an der Schwelle, dort, wo gestaut ist, die Sperrlatten gezogen. Wenn es so weit ist, bekommt der Saracker, das ist der Fahrer auf der letzten Tafel, das Zeichen. Er hackt die Wied durch und ab geht’s hinaus in den noch halb wilden Fluß, wo wir fünf Männlein ganz alleine dem Schicksal überlassen sind. Schwelleneinbindeplätze gab es im Ganzen vier. Dann mehrere Stellen, an denen gleich im Fluß eingebunden wurde.“
Oberlauf der Otava
Josef Mirwald über den Oberlauf der Otava
„Der allergefährlichste Streckenabschnitt war am Beginn der Wottawa ab Vinzenzsäge. Bei 10 % Gefälle runter, dann durch die Schellmergasse, anschließend eine Winkelkurve, Pauliewiese, Binderwiese, Unterreichenstein, Schröbersdorf, Annathal, Langendorf, da waren damals lauter Gefahrenstellen, die bis 1940 noch nicht ganz entschärft waren.“
Floß auf der Fahrt von Vinzenssäge (Juden Häusl) nach Langendorf, hier in der Schellmergasse, mit sehr reißender Strömung und 10% Gefälle, Gefahrenstelle.
„Es könnten die Sepp Bauer, Partie, aus Neu- Langendorf sein.“
(Böhmerwaldarchiv Passau, Kasten Bergreichenstein, C 1944 (Josef Mirwald, Bild Nr. 5).)
Josef Mirwald über die Gefahren
„Ich bin 75 Jahre und kann mich noch an die alten Flößer und Floßsteuer-Männer, die damals schon außer Dienst waren, erinnern. Das waren noch welche von den Wilden. Ich kenne ihre Erzählungen von ihren Abenteuern, Gefahren, auch Hemmungen und Angst. Sie mussten manchen todesmutigen Sprung riskieren, um zu überleben. Sie hatten öfter große Haverien, wenn der Floß (Pram) irgendwo auf einen Felsen oder Wehrdurchlässe, Flusskrümmung in sonstigen Bernlöchern fuhr und in tausend Trümmer zerschellte. Die zwei Horaschtowitzer Reimen, diese Krümmungen habe ich auch noch mit durchfahren. Sie wurden aber bald begradigt. Dafür musste eine Wehr mit Durchlass eingebaut werden, um das Gefälle auszugleichen. Wir, die letzte Generation, hatten im Verhältnis zu den früheren Zeiten fast nur Unfälle ohne Bedeutung. Doch, einen ToTen gab es während meiner Zeit im Horaschtowitzer Reim, zu Anfang der 1920er Jahre. Es war der tschechische Steuermann Ferdo Ranitschka. Er war bestimmt schon 70 und hatte schon viel mitgemacht am Wasser bei seinen Floßfahrten. Doch dieses Mal hat er sich zu sehr auf seine Kraft verlassen, das war sein Ende.“
Strakonice (Strakonitz) - Praha (Prag)
Josef Josef Mirwald über die Strecke von Strakonitz bis Prag:
„Die tschechischen Floßer-Partien haben von uns in Strakonitz (tsch. Strakonice) übernommen und flößten bis Prag. Sie mussten einigemal übernachten, ihr Vorwärtskommen hing sehr vom Wind ab, bei wenig Wind kamen sie kaum vorwärts im gestauten Wasser zwischen den Wehren. Da mussten sie mit langen Stangen anschieben. Ich bin ein einziges Mal mit einer tschechischen Partie mitgefahren, mir ging das alles zu langsam, auf dieser Strecke ist es sehr langweilig, weil das Wasser sehr ruhig und wie tot ist. Im Gegensatz dazu ist es bei uns bei mehr Strömung kurzweiliger. Doch in unserem lebendigen Wasser ist das Flussbett freilich auch gefährlicher. Das geht schon daraus hervor, dass die von oben herunter bis Langendorf fünf Mann sein müssen. Wir sind von Langendorf bis Strakonitz vier Mann und die Tschechen brauchen auf einem Pram (Floß) nur mehr drei Mann von Strakonitz bis Prag.“