Umweltgeschichte im Lehrplan
Der Mensch prägt die Natur, die Natur prägt den Menschen. Diese wechselseitige Prägung wird anhand der Geschichte der Region Bayerischer Wald – Böhmerwald deutlich: Die Siedlungen und Grenzen, die Nutzung der örtlichen Ressourcen, die Eisenbahn und der Fremdenverkehr, all diese Phänomene veränderten die Natur und das Leben der Menschen. Umweltgeschichtliche Fragen können im Geschichtsunterricht jeder Jahrgangsstufe thematisiert werden und bieten Ansatzpunkte für grenzüberschreitende Schulprojekte mit Regionalbezug.
Umweltgeschichte an bayerischen Schulen
Seit dem Jahr 1984 wird das Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt als eines der obersten Bildungsziele der bayerschen Schulen in Artikel 131 der Bayerischen Verfassung aufgeführt (neben der Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne). Für eine Konkretisierung der Ziele, Inhalte und Methoden der Umweltbildung – nicht Umweltgeschichte – sorgten 2003 die Richtlinien für die Umweltbildung an den bayerischen Schulen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Sie fordern eine fächerübergreifende Umsetzung der Umweltbildung, projektorientierten Unterricht, Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, Exkursionen und Schullandheimaufenthalte. Auch wenn der Begriff Umweltgeschichte dort nicht explizit genannt wird, so enthalten die Richtlinien doch Empfehlungen für Aktivitäten mit umweltgeschichtlichen Ansätzen, z. B. die Erforschung von Natur- und Kulturlandschaften im Wandel der Zeit anhand von alten Flurnamen und Karten.
Die Lehrpläne für die verschiedenen Schultypen in Bayern werden vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) erstellt, das vom Kultusministerium damit betraut wurde. Die Lehrpläne sind in der Regel für jede einzelne Jahrgangstufe genau ausgearbeitet und der Großteil der darin aufgeführten Inhalte ist obligatorisch. Gelegentlich enthalten die Lehrpläne Empfehlungen oder Wahlmöglichkeiten sowie die Möglichkeit eigene Schwerpunkte zu setzten.
Der Lehrplan für die bayerische Grundschule (Jgst. 1-4) beinhaltet das Fach Heimat- und Sachunterricht (HSU, Jgst. 3-4), im dem die Themenbereiche Zeit und Geschichte, Orientierung in Zeit und Raum sowie Erkunden der Umwelt umweltgeschichtlichen Betrachtungsweisen ermöglichen. Der Lehrplan für die 4. Jgst. empfiehlt beispielsweise die Behandlung des Umgangs der Menschen mit der Natur in einem bestimmten Abschnitt der Vergangenheit der Region.
In der bayerischen Mittelschule (5.-9./10. Jgst.) wurden die Fächer Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde (GSE) zu einem Unterrichtsfach zusammengefasst. Dies bietet gute Chancen zur fächerübergreifenden Verknüpfung von historischen und geografischen Fragen mit Aspekten der Umwelt. Auch im Fachprofil für GSE, ein Teil des Lehrplans, der sich auf alle Jahrgangstufen des Fachs bezieht, werden implizit umweltgeschichtliche Element deutlich. Es wird darin unter anderem das Ziel formuliert, dass die Schülerinnen und Schüler erfahren sollen, wie menschliche Wirtschaftsweisen räumliche Gegebenheiten verändern.
In der Realschule (Jgst. 5-10) in Bayern wird das Fach Geschichte ab der 6. Jahrgangsstufe unterrichtet. Im Fachprofil des Lehrplans wird das Verhältnis von Mensch und Umwelt als strukturierende Schlüsselfrage für das Unterrichtsfach hervorgehoben, in den Lehrplänen für die einzelnen Jahrgangsstufen taucht der Begriff Umweltgeschichte hingegen nicht auf. Dennoch gibt es unter den Themen fast jeder Jahrgangsstufe Ansatzpunkte für umweltgeschichtliche Betrachtungen, z.B. in der 6. Klasse: frühzeitliches Jagen und Sammeln, Sesshaftwerden, Anfänge von Ackerbau und Tierzucht; die ägyptische Hochkultur und die Bedeutung des Flusses Nil oder in der 8. Klasse: von der Agrar- zur Industriegesellschaft; Imperialismus. Am Ende jedes Schuljahres sind zwei Unterrichtsvorhaben vorgesehen, die den durchgenommenen Lehrstoff wiederholen, vertiefen oder verknüpfen sollen. Sie sind frei wählbar sind, jedoch macht der Lehrplan Vorschläge, wie sie thematisch gefüllt werden können, z.B. für die 6. Klasse: Wie lebten die Steinzeitmenschen/Kelten/Römer unserer Region? oder für die 7. Klasse: Welchen Einfluss hatten Pflanzen wie Tabak, Kartoffel oder Kakao auf europäische Ernährungs- und Freizeitgewohnheiten?
Im bayerischen Gymnasium (5.-12. Jgst.) ist der Lehrpan des Unterrichtsfachs Geschichte der Klassen 6-10 dem der Realschule recht ähnlich. Umweltgeschichtliche Fragen können ebenso wie in der Realschule in fast jeder Jahrgangsstufe aufgegriffen werden. Bei den obligatorischen Unterrichtsvorhaben muss allerdings aus einer vorgegebenen Auswahl gewählt werden. Eine Besonderheit ist das im Lehrplan für die 10. Jahrgangsstufe verankerte fächerübergreifende Projekt von Geschichte und Sozialkunde. Dabei lassen sich umweltgeschichtliche Fragestellungen beispielsweise im Rahmen der vorgegebenen Themen, darunter bayerische Ortschaften im Wandel oder bürgerschaftliches Engagement seit 1945, behandeln.
In den Jahrgangsstufen 11-12, der sog. Qualifikationsphase der bayerischen gymnasialen Oberstufe, muss jeder Schüler und jede Schülerin das Fach Geschichte belegen. Unter anderem sieht der Lehrplan für die 11. Jahrgangsstufe die Untersuchung der Lebensverhältnisse d. Gesellschaftsstrukturen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert in Bayern vor. Dabei bietet sich auch Raum zur Thematisierung umweltgeschichtlicher Fragen. Bei Interesse am Fach können die Gymnasiasten zusätzlich zum regulären Geschichtsunterricht ein wissenschaftsorientiertes oder ein projektorientiertes Seminar (W- und P-Seminar) in Geschichte wählen. Die Themen der Seminare mit einer Dauer von eineinhalb Schuljahren suchen die Lehrkräfte aus, jedoch müssen sich jeweils genügend Schülerinnen und Schüler finden, damit ein Seminar zustande kommt. Gerade in diesen Seminarfächern gibt es vielfältige Möglichkeiten umweltgeschichtlichen Fragestellungen nachzugehen oder ein umweltgeschichtliches Projekt durchzuführen, das praktische Ergebnisse liefert.
Auch Themen der bayerisch-böhmischen Regionalgeschichte mit umweltgeschichtlichen Aspekten lassen sich aufgreifen. Lassen Sie sich für derartige Seminarvorhaben von unseren Vorschlägen für umweltgeschichtliche Unterrichtseinheiten und Schulprojekte mit tschechischen Partnerschulen inspirieren.
Stand: Dezember 2010
Umweltgeschichte an tschechischen Schulen
In Tschechien gibt es für jeden Schultyp ein vom Ministerium für Schulwesen, Jugend und Sport verfasstes landesweit gültiges sog. Rahmenbildungsprogramm. Nach den Vorgaben dieses Rahmenbildungsprogramms muss jede Schule ihr eigenes Schulbildungsprogramm erstellen. Dieses stellt dann den eigentlichen Lehrplan dar, nach dem in der jeweiligen Schule unterrichtet wird.
Seit 2007 geben die Rahmenbildungsprogramme für die Grundschule (Jgst. 1-9) und das Gymnasium (Jgst. 10-13) Umwelterziehung (environmentální výchova) - nicht Umweltgeschichte (environmentální dějiny) - als ein Pflichtbestandteil der Schulbildung vor. Umwelterziehung gehört zu den sog. Querschnittsthemen und steht dabei in einer Reihe mit Persönlichkeits- und Sozialerziehung, Erziehung zum demokratischen Bürger (nur in der Grundschule), Erziehung zum Denken in europäischen und globalen Zusammenhängen, interkultureller Erziehung und Medienerziehung.
Zu den Themenbereichen, die im Rahmen des Querschnittsthemas Umwelterziehung in der Grundschule behandelt werden sollen gehören die verschiedenen Ökosysteme (z.B. Wald, Wasser, Siedlungen, Kulturlandschaften), die Beziehung von Mensch und Umwelt, menschliche Aktivitäten (z.B. Landwirtschaft, Verkehr, Industrie), die die Landschaft verändern und Umweltprobleme verursachen können. Die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sollen sich außerdem mit der Problematik nachhaltiger Entwicklung, mit Umweltpolitik in Tschechien und Europa sowie mit der Geschichte und aktuellen Situation tschechischer Umweltschutzinitiativen und -institutionen beschäftigen.
Es ist den Schulen selbst überlassen, in welchen Unterrichtsfächern Umwelterziehung geleistet wird, ebenso können sie sie wählen, in welcher Form und in welchem Unfang sie sich dem Querschnittsthema widmen möchten. Das Rahmenbildungsprogramm empfiehlt fächerübergreifenden Unterricht, Projektarbeit, praktische Aktivitäten außerhalb der Schule wie Schullandheimaufenthalte, die Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort und aus der Umgebung, ebenso wie mit Partnern aus dem Naturschutzbereich.
In der Praxis wird Umwelterziehung häufig in den naturwissenschaftlichen Fächern behandelt, doch auch die geisteswissenschaftlichen Fächer wie Geschichte bieten hierfür genügend Raum.
Besonders die Einstellungen, Erkenntnisse und Fähigkeiten, die die Schüler durch Umwelterziehung entwickeln sollen, legen eine umweltgeschichtliche Betrachtungsweise nahe. Die Rahmbildungsprogramme sowie die Methodik der Prager Karlsuniversität „Umweltbildung im Geschichtsunterricht“ nennen in diesem Zusammenhang beispielsweise …
• Bewusstsein für einen Ort, für Veränderungen, die dort stattfinden, ein Verantwortungsgefühl für die weitere Entwicklung dieses Orts;
• Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt, anhand der Kenntnisse über die Situation der Umwelt in der Heimatregion;
• Verständnis für die Folgen menschlichen Handels für den Zustand der Umwelt;
• Bewusstsein für das Natur- und Kulturerbe und einem behutsamen Umgang damit;
• den kritischen Umgang mit Quellen zu Umweltfragen;
• Argumentationsfähigkeit auf Basis von Erkenntnissen zur historischen Entwicklung der Umwelt.
In der tschechischen Grundschule können umweltgeschichtliche Aspekte in den unteren Jahrgangsstufen (1-5) im Bildungs- bzw. Fächerbereich „Der Mensch und seine Welt“, dem Äquivalent zum bayerischem Heimat- und Sachunterricht, aufgegriffen werden. In den höheren Jahrgangstufen der Grundschule (6-9) sollte eine Begegnung mit umweltgeschichtlichen Fragen im Geschichtsunterricht stattfinden, da der vom Rahmenbildungsprogramm vorgegebene Unterrichtsstoff einige einschlägige Themen beinhaltet: z.B. den Übergang von Kulturen der Jäger und Sammler zu Landwirtschaft und Viehzucht; Industrialisierung; Kolonialismus.
Das Rahmenbildungsprogramm für das Fach Geschichte im Gymnasium (Jgst. 10-13) enthält ebenfalls obligatorischen Unterrichtsstoff, der eng mit umweltgeschichtlichen Fragestellungen verbunden ist: z.B. die Themen Kolonisation (der böhmischen Länder), Städtebau im Mittelalter; Wandel von Agrar- zu Industriegesellschaft; Lebensbedingungen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs; heutige Situation ehemaliger Kolonialländer; globale Probleme der modernen Gesellschaft.
Zusätzlich zu den vom Rahmenbildungsprogramm vorgegebenen Themen des Geschichtsunterrichts, die umweltgeschichtliche Aspekte aufweisen, können die Schulen weitere solche Themen oder Schwerpunkte in ihre jeweiligen Schulbildungsprogramme aufnehmen. Auch in der bayerisch-böhmischen Regionalgeschichte kann man umweltgeschichtliche Ansätze aufgreifen. Ideen für entsprechende Unterrichtseinheiten oder Schulprojekte mit einer tschechischen Partnerschule finden Sie in der Rubrik Projektentwürfe.
Stand: Dezember 2010