Sachinformationen
Von Böhmen nach Bayern
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 herrschte in der Tschechoslowakei eine durch die nationalsozialistische Vernichtungs- und Vertreibungspolitik bedingte anti-deutsche Stimmung. Dieser Radikalismus wurde durch politische Vertreter noch weiter angeheizt und traf viele Unschuldige. Bis heute prägen diese Ereignisse die Medien und die Politik und viele Initiativen auf deutscher und tschechischer Seite beschäftigen sich mit dem Thema.
Es setzten so genannte "wilde Vertreibungen" ein, bei denen es auch in Südböhmen zu brutalen Überfällen, Misshandlungen und Todesfällen kam. Diese Phase dauerte bis zum 1. August 1945 an. Die Alliierten legitimierten dann auf der Potsdamer Konferenz die geregelte Aussiedlung der Deutschen. Züge mit bis zu 1200 Personen je Transport oder Lastwagen brachten die Deutschen in die nun gesetzlich vorgesehenen Besatzungszonen in Deutschland. Viele Böhmerwäldler konnten über die Grenze, besonders aus den grenznahen Regionen, fliehen und dabei mehr als die im Abkommen vorgesehenen 50-70kg Gepäck mitnehmen. Die anderen wurden erst in Internierungslagern gesammelt und anschließend nach Deutschland überführt.
Besondere Regelungen betrafen die als Antifaschisten Eingestuften, die sich nachweislich gegen den Nazismus eingesetzt hatten. Die 25000 Menschen, für die diese Regelung galt, konnten entweder im Land bleiben oder ihre Ausreise zu „günstigen Bedingungen“ vornehmen. So genannte Spezialisten, die für bestimmte Industriezweige wichtig waren, und Angehörige von gemischten Ehen blieben außerdem im Land.
Insgesamt fuhren im Zuge der Vertreibungen bzw. der Aussiedlung (zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten), nach dem Potsdamer Abkommen 97 Transporte mit 126 602 Personen aus Südböhmen nach Deutschland. 21 Transporte aus dem Kreis Prachatice/Prachatitz kamen überwiegend nach Bayern. Die meisten durchliefen das Lager in Furth i. Wald.
Zwischen 1940 und Oktober 1945 wurden die „zur Wiedererrichtung und zur politischen wie wirtschaftlichen Organisation der Tschechoslowakei gesetzten Rechtsakte“ nach dem sie erlassenden Staatspräsidenten Edvard Beneš als Beneš-Dekrete bezeichnete in Kraft gesetzt. Die insgesamt 142 Dekrete regelten unter anderem die entschädigungslose Konfiszierung des deutschen Eigentums und die Arbeitspflicht derjenigen, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren hatten. Parallel zu den Dekreten wurden in den Nachkriegsmonaten Verordnungen erlassen, welche den Deutschen das Wahlrecht entzogen, das Radiohören verboten, das Einkaufen nur zu bestimmten Zeiten ermöglichten und das Tragen von Armbinden vorschrieb.
Parallel zur Aussiedlung der Deutschen wurden die nun unbewohnten Gebiete wiederbesiedelt. Bis 1948 kamen 2,5 Millionen Neusiedler in die Grenzgebiete der Tschechoslowakei. Die Region Südböhmens blieb sehr dünn besiedelt. Einerseits weil es nicht attraktiv war, in die landwirtschaftlich schwer zu bearbeitende Region zu ziehen und andererseits wurde bereits ein Sperrgebiet entlang der Grenze eingeplant, für dessen Einrichtung ein wenig besiedeltes Gebiet hilfreich war. 1961 sind in den Grenzgebieten nur noch 68,5% des Bevölkerungsstandes von 1910 erreicht worden. Die Auswirkungen der Vertreibung sind bis heute in der Grenzregion zu spüren. 1990 lebten noch 50 000 Angehörige der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei.
In Bayern lebten nach einer Volkszählung im Jahr 1950 rund 21% Vertriebene, darunter waren 1025000 Deutsche aus der Tschechoslowakei. Die Integration der Vertriebenen verlief trotz vieler Schwierigkeiten letztendlich erfolgreich und sicherte den Betroffenen größtenteils materiellen Ausgleich und die Pflege ihrer Traditionen in verschiedenen Vereinen und Verbänden. Der bayerische Staat übernahm 1954 die Patenschaft über die Sudetendeutschen und damit eine enge Beziehung zu dieser Gruppe. Viele Städte in Niederbayern übernahmen Patenschaften für die Vertriebenen aus südböhmischen Orten. Die Stadt Passau hat die Patenschaft über die BöhmerwäldlerInne.