Antifaschisten
Eine Sondergruppe unter den ausgesiedelten Deutschen waren die so genannten Antifaschisten, die sich am anti-nazistischen Widerstand in der Tschechoslowakei und im Ausland beteiligt hatten. Es handelte sich vorwiegend um deutsche Kommunisten und Sozialdemokraten (Mitglieder der ehemaligen DSAP-Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei).
In den ersten Wochen nach Beendigung des Krieges gab es keine verbindlichen Kriterien, wen und unter welchen Bedingungen man als Antifaschist zu betrachten habe. Also wurden Vorkriegsmitglieder der KSČ, DSAP und der ehemaligen KZ-Häftlinge als Antifaschisten bezeichnet. Sie hatten Anspruch auf einige Erleichterungen im sozialen und rechtlichen Bereich, beispielsweise bekamen sie die gleichen Lebensmittelzuteilungen wie Tschechen und sie wurden von der Aussiedlung und der Zwangsarbeit ausgenommen.
Anträge auf Anerkennung als Antifaschist
Auf der Grundlage der Dekrete des Präsidenten der Republik vom 2.8.1945 (Slg. Nr 33) konnten die Antifaschisten die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft beantragen. Als Antifaschisten konnten diejenigen Deutschen betrachtet und legitimiert werden, die:
1. aus politischen oder Rassengründen inhaftiert waren oder die aus Treue zum Tschechoslowakischen Staat verfolgt wurden.
2. vor und während der Okkupation einen Kampf gegen den Nazismus und für die Tschechoslowakei geführt hatten.
3. Angehörige der Tschechoslowakischen oder Alliierten Streitkräfte oder der Partisanengruppen gewesen waren oder in ihren Diensten gearbeitet hatten.
4. nicht Mitglieder der nazistischen Organisationen waren, obwohl sie dazu gezwungen worden waren.
Die Begünstigungen der Antifaschisten konnten auch deren Ehepartner erhalten und auch Kinder von Personen, die im Kampf für die Befreiung der Republik zu Invaliden geworden, die in Konzentrationslagern inhaftiert oder dort gestorben waren oder die für ihre antifaschistische Tätigkeit ermordet worden waren.
Über die Anträge entschieden speziell eingerichtete Organe des ONV (Okresní národní výbor, Kreisnationalausschuss).
Deutsche Übersetzung des bewilligten Antrages auf Anerkennung als Antifaschist, 1946.
Deutsche Übersetzung des abgelehnten Antrages auf Anerkennung als Antifaschist, 1946.
"Freiwillige" Aussiedlung
Tschechische Bürgerinnen und Bürger verhielten sich gegenüber den deutschen Antifaschisten eher mit Misstrauen und Distanz. Die Mehrheit der Bevölkerung war der Meinung, dass es notwendig sei, alle Deutschen ohne Ausnahme auszusiedeln, dass echte Antifaschisten eher selten vorkämen und diese bräuchte die Tschechoslowakei sowieso nicht. „Ein Deutscher bleibt immer ein Deutscher“, schrieb man beispielsweise in der kommunistischen Zeitung Nová svoboda (Neue Freiheit). Die vorteilhaftere Stellung der Antifaschisten wurde auch von den anderen Deutschen kritisiert.
Auch aus diesem Grund begannen viele Antifaschisten sich für einen „freiwilligen“ Umzug nach Deutschland zu entscheiden. Diese Lösung wurde auch auf der Sitzung der Vertreter der DSAP am 9.10.1945 gebilligt: „Wir wollen der Entwicklung des tschechoslowakischen Proletariats nicht im Weg stehen. Deshalb sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass wir, wenn wir auf dem Gebiet der Tschechoslowakei keine Möglichkeit zur freien geistigen Entwicklung, was wir als Sozialdemokraten verdienen, haben, sind wir bereit, unsere gemeinsame Heimat zu verlassen und für den Aufbau des neuen demokratischen Deutschlands mitzuarbeiten, damit wir dort für eine klassenlose Gesellschaft kämpfen. In diesem Fall wollen wir…durch den freiwilligen Weggang verhindern, dass sich keine Kluft zwischen tschechoslowakischem und deutschem Proletariat auftut. Ohne Hass wollen wir die Grenze überschreiten.“ Im Herbst 1945 fand die Auftaktsitzung über die Aussiedlung der Antifaschisten in die sowjetische und amerikanische Besatzungszone statt.
Die Liste der Antragsteller setzte das Sekretariat der KSČ und der Tschechoslowakischen Sozialdemokraten in Zusammenarbeit mit der antifaschistischen Kommission des Kreisnationalausschusses fest und die definitive Entscheidung lag beim Innenministerium. Die Antifaschisten wurden in die sowjetische und die amerikanische Besatzungszone umgesiedelt. Die Bedingungen ihrer Aussiedlung bestimmte der Regierungsbeschluss vom 15.2.1946: von ihrem Besitz konnten sie 500RM mitnehmen und im Unterschied zu den anderen Deutschen beispielsweise auch Möbel, Fahrräder, Näh- und Schreibmaschinen, Rundfunkgeräte, Fotoapparate, Eheringe, Uhren und Erinnerungsstücke aus Silber. Sie durften kein Geld über der festgelegten Summe mitnehmen, keine Wertpapiere, Scheckhefte, Wertsachen, historische Dokumente, einige Geräte und Maschinen, keine Nutztiere, kein landwirtschaftliches Inventar, keine Lebensmittel (nur für einen Bedarf von 14 Tagen und Kartoffeln) und anderes.
Deutsche Übersetzung der Bewilligung zur freiwilligen Aussiedlung der Familie Pawlitschko, 1946.
Deutsche Übersetzung des Gutachtens zum Fall des Antifaschisten František Pawlitschko, 1946.
Die Aussiedlung der Antifaschisten aus der Tschechoslowakei wurde häufig vom Ausland kritisiert und von großen Problemen begleitet. Antifaschisten wurden manchmal in die normalen Transporte eingereiht, so wurde ihnen häufig grundlos und auf Grund von Denunziationen die Legitimation als Antifaschisten und so auch die Begünstigungen abgenommen.
Nach dem Abschlussbericht des Innenministeriums über die Realisierung des Transfers verließen bis zum 1.12.1946 insgesamt 94 614 Antifaschisten die Tschechoslowakei. Viele von denen, die blieben (zu Beginn des Jahres 1947 waren in der Tschechoslowakei ungefähr 30 000 Menschen, die als Antifaschisten eingestuft waren) entschieden sich später zum Weggang, weil sie nur sehr begrenzte Möglichkeiten hatten, sich im öffentlichen Leben durchzusetzen.