Grenzanlagen
Die 356km lange Grenze zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik Deutschland war seit Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts bis zum Jahr 1989 eine der meist überwachten Grenzen Europas. Seit dem Jahr 1951 entstanden hier verschiedene Anlagen, die die Grenze unüberwindbar machen sollten. Diese Sicherheitssysteme und Fallen waren offiziel gegen die so genannten „Westfeinde“ bzw. „Agenten der imperialistischen Staaten“ gerichtet. In der Realität sollten die Anlagen jedoch unzufriedene Bürgerinnen und Bürger an der Flucht aus der Tschechoslowakei hindern. In der kommunistischen Terminologie sprach man von „Anlagen zum Schutz der Grenze“ und die Menschen, die sich bemühten, die Grenze zu überwinden, wurden als „Grenzverletzer“ bezeichnet.
Sperrzone und Grenzzone
Kurz nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 wurde der Zugang zur Grenze für Tschechoslowaken eingeschränkt. Man nahm strenge Personenkontrollen vor. Menschen, die nicht in der Nähe der Grenze wohnten oder arbeiteten, hatten zu deren direkter Umgebung keinen Zugang. Im Jahr 1951 erließ das „Ministerium der Nationalen Sicherheit“ einen „Erlaß über das Grenzland“, mit dem eine Sperrzone und eine Grenzzone eingeführt wurden.
Die Sperrzone schuf einen bis zu zwei Kilometer breiten Streifen direkt an der Grenze. Aus diesem Gebiet mussten alle Bewohnerinnen und Bewohner aussiedeln; nur die tschechoslowakische Grenzwache durfte die Sperrzone betreten.
An die Sperrzone schloss eine zwei bis fünf, in einigen Fällen sogar zwölf Kilometer breite Grenzzone an. In diesem Gebiet durften nur überprüfte Personen leben, wie zum Beispiel Mitglieder der kommunistischen Partei. Für das Betreten des Grenzstreifens benötigte man eine Sondergenehmigung. Eine solche Genehmigung zu Arbeitszwecken finden Sie hier abgebildet.
Personen, die sich im Grenzstreifen aufhielten, war es verboten, sich dort ohne Genehmigung von Einbruch der Dunkelheit bis zum Morgengrauen abseits von öffentlichen Wegen, Straßen und Eisenbahnstrecken aufzuhalten. Auf einem von der Grenze ausgehenden ungefähr acht Kilometer breiten Streifen wurden alle Hinweisschilder abgebaut.
Die Errichtung der Grenzzone hatte katastrophale Folgen für die Besiedlung des tschechischen Grenzlandes, das schon merklich durch die Vertreibung der Deutschen dezimiert worden war. Alle Gemeinden in der Sperrzone wurden ausgesiedelt, die meisten Häuser zerstört. Die Aussiedlung betraf ca. 800 Familien, was ungefähr 2500 Menschen entspricht. Aus der Grenzzone mussten alle so genannten „unzuverlässigen Personen“ wegziehen. Die Folgen dieses Vorgehens für das Land und seine Bewohner sind bis heute in der Grenzregion zu spüren.
Grenzzaun
Im Jahr 1951 wurde in der Nähe der tschechoslowakischen Westgrenze eine 20m breite Schneise geschlagen, auf der ein Zaun angelegt wurde. Dieser Zaun war dreireihig. Der mittlere stand unter Strom, zwischen 5000 und 15000 Volt. Einige unübersichtliche Abschnitte der Grenze waren vermint. Vor dem Stacheldrahtzaun gab es so genannte geeggte Spurenstreifen, die zur Aufdeckung von Spuren der Flüchtenden dienten. Entlang der Zäune standen Beobachtungstürme. Zu dem System gehörten zudem Stacheldrahtrollen, Betonhöcker und verschiedene Fallen mit Signaleinrichtungen.
Bis zum Jahr 1965 wurde elektrischer Strom verwendet. Bis zu diesem Zeitpunkt starben am elektrischen Zaun 95 Menschen. Das letzte Opfer des elektrischen Zaunes war der 17-jährige Břetislav Funiok. Er starb am 22. Dezember 1965.
Seit Mitte der 60er Jahre wurde zur Sicherung der Grenze ein elektronisches System verwendet. Grundlage dieses Systems war die so genannte Signalwand. Es handelte sich dabei um einen mehr als zwei Meter hohen Zaun aus Stacheldraht, der mit Leichtstrom verbunden war. Zwei miteinander verbundene Drähte gaben einen Stromschlag auf eine so genannte Signalmaschine, die daraufhin Signalgeräusche abgab.
Die Stacheldrahtzäune wurden ins Hinterland verlegt, so dass die Angehörigen der Grenzwache mehr Zeit zur Erfassung der Flüchtlinge, die bis hierher gelangt waren, hatten. Auch vor dieser Sperre gab es einen geeggten Bodenstreifen zur Erfassung der oder des Flüchtigen.
Von Bayern aus sah die Grenze offen und ruhig aus, weil die Grenzzäune erst einige Kilometer im Hinterland lagen. Die Bayerische Grenzpolizei vermerkt in ihren Grenzberichten im Jahresbericht 1980:
„Die aufwendige, jedoch im Vergleich zur DDR-Grenze verhältnismäßig „human“ gesicherte Grenze erscheint dem unkundigen Betrachter das Bild einer offenen Grenze, weil die tschechoslowakischen Grenzwachen (PS = Pohraniční stráž) die Sperranlagen unmittelbar an der Grenze abbauten und in das Hinterland verlegten.“
Im Bericht aus dem Jahr 1976 heißt es:
„Doch besteht auch hier der Eiserne Vorhang, nur sind die tschechoslowakischen Grenzsicherungsanlagen überwiegend fern der Grenze in das Hinterland versetzt und so dem Blick der Grenzbesucher entzogen. Das verleiht dem Landschaftsbild einen friedlicheren Anschein.“
Darum mussten deutsche Besucher auch auf den Beginn des tschechoslowakischen Staatsgebietes hingewiesen werden. Die Bayerische Grenzpolizei informierte mit Hinweisschildern und Flugblättern.
Im Jahr 1983 wurden beispielsweise 800 Führungen von der Bayerischen Grenzpolizei an der tschechoslowakischen Grenze durchgeführt. Dabei wurden mehr als 24 000 Personen über die Grenze informiert. Besuchergruppen waren beispielsweise Politiker, der Frauenbund oder das Goethe-Institut.
Luftbeobachtungstürme
Entlang der Grenze der ČSSR zu Bayern befand sich ein System von Luftbeobachtungstürmen. Diese Türme waren fast ständig besetzt und nur auf Sichtweite voneinander entfernt. So konnte jederzeit ein tief fliegendes Objekt (vom Radar auf Grund des Geländes beim Einflug nicht erkannt) in der ČSSR erkannt und Abfangjäger konnten gezielt eingesetzt werden.
Die Türme befanden sich meistens im freien Gelände, aber auch zum Teil in den Arealen der PS-Unterkünfte.
Kolonnenwege
Zu den Mitteln zum Schutz der Staatsgrenze gehörte auch ein hoch entwickeltes Wegesystem, das die schnelle Verfolgung von Flüchtlingen ermöglichte. Diese Wege waren auf beiden Seiten der Zäune angebracht. Dahingegen wurden unbenutzte Wege, die zur Grenze führten, umgegraben oder mit Andreaskreuzen und Betonhöckern versehen.
Nach den Beobachtungen der Bayerischen Grenzpolizei vom November 1989 befanden sich an der bayerischen-tschechoslowakischen Grenze folgende Einrichtungen: