Grenzland Bayern
Die Situation im bayerischen Grenzland war nach dem Zweiten Weltkrieg besonders schwierig. Der Tourismus, ehemals stärkster Wirtschaftsfaktor, war im Krieg nahezu zum Erliegen gekommen und der „Eiserne Vorhang“ behinderte den Fremdenverkehr bis zur politischen Wende 1989. Tausende Flüchtlinge aus dem Osten belasteten die Situation, da sie sich direkt an der Grenze zur Tschechoslowakei ansiedelten. Das bayerische Grenzland war überbevölkert. Die Einwohnerzahl des Landkreises Wolfstein, zu dem die Stadt Freyung gehört, hatte durch die Flüchtlinge um ein Drittel zugenommen. Die ohnehin schon angespannte Lage im kriegszerstörten und traditionell strukturschwachen Ostbayern war erschreckend. Im Jahr 1948 verwendeten die Menschen den zynischen Spruch „Lieber tschechisch sterben, als bayerisch verderben“.
Die Flüchtlinge kamen in so genannten Elendswohnungen unter. Ihre Wohnsituation war beengt und verzweifelt.
Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Niederbayern, Eduard Peschl, warnte 1950 die Vertreter des Grenzlandausschusses des Deutschen Bundestages: „Wehe, wenn diese Verzweiflung politische Formen annimmt!“
Das restliche Bundesgebiet nahm regen Anteil an der Situation in den Grenzgebieten. Zeitungen riefen zu Spendenaktionen, z.B. „Hilfsaktion Bayerischer Wald“, auf.
Die Benachteiligung und Überlastung der Grenzregion sollte ausgeglichen werden. 1953 wurde die Grenzlandförderung vom Deutschen Bundestag beschlossen. Ziel war es, die „Herstellung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen“ für einen 40km breiten Streifen an der Ostgrenze der Bundesrepublik zu schaffen. 25% der Fläche Bayerns wurden zum Notstandsgebiet erklärt. Hier lebten 20% der Einwohner Bayerns. Die Region um den Bayerischen Wald war ein Teil des Zonenrandgebietes (siehe Karte). Wegen seiner Entlegenheit und der mangelnden Erschließung hatte der Bayerische Wald keine besonderen Wachstumseigenschaften. Hier herrschte die größte Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet.
In Passau gab es 1953 rund 30% Arbeitslose, in Deggendorf 34,4%. Die Region war schon immer industriearm und von Land- und Forstwirtschaft geprägt. Der „Eiserne Vorhang“ schränkte die Wirtschaftlichkeit der Grenzregion noch weiter ein. „Die Teilung, der „Eiserne Vorhang“ zwischen West und Ost, haben menschliche und kulturelle Beziehungen unterbrochen, zu einer Umlenkung traditioneller Handelswege gezwungen und damit eine tief greifende Umorientierung der Wirtschaft bewirkt. Weite Teile Bayerns kamen aus der Zentral- in eine Randlage“ summiert der Grenzlandbericht der Bayerischen Landesregierung im Jahr 1978 die Lage.
Von 1953 bis 1990 unterstützte die Grenzlandförderung den sozialen Wohnungsbau, die Infrastruktur (Straßenbau, Energieversorgung, Verkehr), die Kultur (Bildung, Kunst- und Kulturwesen) und den Tourismus in Ostbayern. Ziel war es, die Abwanderung zu verhindern, Arbeitsplätze zu schaffen und den Umweltschutz zu fördern.
Im Jahr 1989 hieß es im Grenzlandbericht der Bundesregierung: „Bayern hat wieder seine ‚Drehscheiben- und Brückenkopffunktion‘ und eine ‚wiedergewonnene Zentrallage‘. Unter der von großem psychologischem Druck befreiten Bevölkerung macht sich neue Aufbruchstimmung breit. Alte Verbindungen werden wieder neu geknüpft, neue Beziehungen aufgebaut.“
Heute wird das bayerisch-böhmische Grenzland durch die Strukturfonds der Europäischen Union gefördert. Noch immer gilt es, Standortnachteile auszugleichen. Dazu gehört neben dem kulturellen Austausch zwischen den Grenzbewohnern auch die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, die Bayern und Böhmen noch stärker verknüpfen soll – nicht allein zur Förderung der Wirtschaft.