Flucht
Flucht in den Westen
Die Flucht aus der sozialistischen Tschechoslowakei begann im Februar 1948, als die Kommunisten an die Macht kamen. Die Unzufriedenheit mit dem kommunistischen Regime war angesichts der Massenemigration schwer zu übersehen. Eine ganze Reihe prominenter Persönlichkeiten – Journalisten, Unternehmer, Politiker, Künstler – sowie andere Bürger, die das kommunistische Regime unmittelbar mit Verfolgung bedrohte, gingen ins Ausland. Die ersten Ziele der Flüchtlinge waren Österreich und die BRD. Von dort aus setzten sie ihre Flucht in andere Länder fort, am häufigsten in die USA, nach Kanada oder Australien.
Am Anfang war die Überwindung der Grenze zur freien Welt nicht so schwierig. In den Jahren 1948-1951 waren etwa 60% der Grenzübertritte erfolgreich. Allein in diesem Zeitraum sind etwa 25 000 Menschen ins Exil gegangen. Nach 1951 ist die Überschreitung der Grenze viel komplizierter geworden, da an der Grenze zur Bundesrepublik und zu Österreich ein Stacheldrahtverhau errichtet wurde, welcher lange Zeit unter Strom stand und außerdem durch die Einheiten der Grenzpolizei bewacht wurde. Aber nicht einmal die Todesgefahr konnte Tausende von Menschen auf ihrem Weg zur Freiheit aufhalten und dank ihres Erfindergeistes und Mutes gelang vielen die Flucht. Entführte Flugzeuge, selbstgenähte Ballons, Luftmatratzen im Meer, über den unter Strom stehenden Stacheldraht, im Fahrgestell von Zugwaggons – manche Fluchtwege waren mehr als abenteuerlich. Viele Bürgerinnen und Bürger der sozialistischen Republik, die legal ins Ausland reisen konnten, kehrten einfach nicht zurück. Die meisten Menschen verließen die Tschechoslowakei aus politischen, ökonomischen oder familiären Gründen. Die Hauptgründe waren die Sehnsucht nach Freiheit, die Sehnsucht zu reisen, sich frei äußern zu können, die Möglichkeit zu studieren oder zu arbeiten. Deshalb unternahmen die Menschen gefährliche Versuche, bei deren Scheitern sie im besten Falle das Gefängnis und im schlimmsten der Tod erwartete.
Weil die tschechisch-bayerische Grenze eine direkte Grenze zwischen Ost und West war, bemühten sich auch Menschen aus anderen Ländern um ihre Überwindung, vor allem aus Polen und der DDR. Unter den Flüchtlingen war auch eine große Anzahl von Grenzpolizistinnen und Grenzpolizisten, die bessere Möglichkeiten hatten, in unmittelbare Nähe der Grenze zu gelangen.
Von kommunistischen Massenmedien wurden erfolgreiche Fluchtversuche verschwiegen. Es wurde nur dann über sie berichtet, wenn sie für anti-westliche Propaganda geeignet waren (wie z.B. die Flugzeugentführungen). Die westlichen Medien beschäftigten sich eher mit den abenteuerlicheren und aufsehenerregenden Fluchten.
Der Fall Milan Čepek: Der tragische Tod eines jungen Grenzsoldaten auf der Flucht
Nach einem Desertionsversuch im Herbst 1968 musste der junge Soldat Milan Čepek eine kurze Haftstrafe absitzen und wurde anschließend zum Grenzschutzdienst versetzt. Nur zwei Tage nach Antritt seines Dienstes bei der Grenzwache versuchte er in Anwesenheit eines Kollegen, durch den Eisernen Vorhang nach Bayern zu fliehen. Umfangreiche Informationen und Materialien zum tragischen Fluchtversuch Milan Čepeks, seinen Folgen und zur Aufarbeitung des Falls durch die bayerischen und tschoslowakischen Behörden finden Sie hier.
Materialien zum Thema Flucht über den Eisernen Vorhang
In dieser Rubrik finden Sie einen Abdruck des § 109 des Tschechoslowakischen Strafgesetzbuches von 1961, demzufolge das Verlassen des Landes eine Straftat darstellte.
In der Rubrik Schriftquellen befinden sich zahlreiche Zeitungsartikel über Fluchtversuche von der tschechischen auf die bayerische Seite des Eisernen Vorhangs.
Das Verhörprotokoll eines 1955 über die Grenze nach Bayern geflohenen Slowaken finden Sie in der Rubrik Zeitzeugenberichte.
Eine Aufstellung aller an der tschechoslowakischen Westgrenze bekanntgewordenen Todesfälle finden Sie in der Rubrik Schriftquellen.