Eisenstein
Franz Leitermann
Erlebnisbericht des Rentamts-Inspektors Franz Leitermann aus Bistritz, Kreis Markt Eisenstein, der im November 1946 mit seiner Familie über Furth i. Wald nach Hessen kommt.
Quelle: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hrsg.), Theodor Schieder: „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus ost- Mitteleuropa. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Band 2. Deutscher Taschenbuch Verlag 1957, Nachdruck 1984.
Ausweisung des Vfs. im November 1946 nach seiner Entlassung aus der Haft.
Während meiner Gefangenschaft wurden meine Ehefrau und meine älteste Tochter mit Bescheid des "Mistni Narodni Vybor - Správní komise" in Bistritz vom 22. 7. 1946, G. Z. 5085/46 aufgefordert, sich am 26. 7. 1946 um 7 Uhr mit ihrem Gepäck auf der Sammelstelle einzufinden und sich einer persönlichen Untersuchung zu unterziehen. Der zusammen gestellte Transport wurde in das Aussiedlungslager in Eisenstein, Ortsteil Elisetal, knapp an der bayerischen Grenze gebracht. Dort wurden die Leute in die ehemaligen Wald- und Glasarbeiterwohnungen, meistens kleine, zum Teil baufällige Häuschen, untergebracht. Es mussten mehrere Familien in einem Raume gemeinsam schlafen. Die Verpflegung bestand zum Großteil aus Kartoffeln und Gemüse. Die Erwachsenen mussten im Lager arbeiten.
Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt und von bewaffneten Aufsehern bewacht.
Die inzwischen aus dem Klattauer Kreisgerichtsgefängnis und aus anderen Gefängnissen entlassenen Personen waren zu ihren Familienangehörigen im Aussiedlungslager gebracht worden. Meine Angehörigen mussten in diesem Elendslager auf mich bis Anfang November 1946, also 31/2 Monate warten. Am Vortage der Abfahrt des Transportes wurden wir und unser Gepäck durchsucht, Geld und wertvollere Gegenstände wurden abgenommen.
Am 13. November 1946 wurde unser Transport zusammengestellt. Wir und einige andere Familien kamen mit unserem Gepäck in einen Viehwaggon. Der sehr lange Eisenbahnzug fuhr über Neuern-Janowitz nach Furth im Wald. wo wir zwecks Entlausung und Registrierung aussteigen mussten. Dort stieg meine Tochter Johanna zu, die bereits in Bayern war lind die Durchfahrt des Transportzuges erfahren hatte. Dann ging die Fahrt weiter über Nürnberg, Fürth, Würzburg, Gemünden nach Aschaffenburg. Dort wurden wieder einige Waggons abgekoppelt. Wir kamen über Darmstadt nach Bensheim-Auerbach in ein Lager.
Die Eisenbahnfahrt war sehr unangenehm, das Sitzen auf den Kisten unbequem, keine Beleuchtung, Beheizung mit einem in der Ecke des Waggons stehenden eisernen Öfchen, das immer wieder umzufallen drohte. Bei Erschütterungen fielen Gepäckstücke vom Stapel herab, Geschirr zerbrach. Notdurft konnte nur durch Aussteigen aus dem stehen bleibenden Zug (außerhalb der Stationen) mit Gefahr dessen Davonfahrens verrichtet werden. Für Familien mit Kleinkindern war diese Fahrt besonders beschwerlich. Die an der Bahnstrecke gelegenen Ruinenstädte und die zerbombten Bahnhöfe machten auf uns einen erschütternden Eindruck.
Wie das Einwaggonieren musste auch das Auswaggonieren des Aussiedlungsgutes von den Ausgesiedelten selbst besorgt werden. Da möglichst viel in die Kisten gestopft worden war, waren manche derselben schwer zu bewältigen.
Der Weg in die "Freiheit" war trotz der Freude, der Tyrannei entronnen zu sein, eine Enttäuschung, denn dem Schmerz über den Verlust der Heimat gesellten sich im zerbombten und hungernden Gastland neue Sorgen und große Not bei. Daheim wohnten die Familien und Sippen meistens im gleichen Orte oder in kleinem Umkreise, durch die Aussiedlung in einzelnen Transporten wurden sie auseinander gerissen und in alle deutschen Länder verteilt, was besonders alte Leute mit großer Wehmut erfüllte.